2 Mühldorfer Grüne zu Besuch bei der EU in Brüssel

Wie kommt Bürger*in zu den EU-Institutionen in Brüssel? Wie funktioniert das
europaweite Bündnis von 450 Millionen Bürger*innen? Wo sitzen die Lobbyisten?
Antworten auf diese Fragen und mehr erhielten zwei Mühldorfer Grüne, Mitglieder in
einer Reisegruppe, welche der Einladung aus dem Münchner Büro der Grünen
Europaabgeordneten Henrike Hahn gefolgt waren.


Die Reise erfolgte, für uns Grüne selbstverständlich, per Bahn und vor Ort in Brüssel mit
Metro und Bus. 42 Reiselustige hatten sich am Münchner Hauptbahnhof eingefunden,
aus München, Augsburg, Würzburg und aus Mühldorf.
Brüssel ist eine quirlige Stadt verschiedenster Nationalitäten. Für die erste Orientierung
half eine Stadtführung. Belgien ist ja bekannt für seine Comics, man entdeckt sie an
Hausecken und Fassaden. Viele kleine Läden und Geschäfte, Gemüsetandler und
Pralinenverkäufer, Friseursalons und Plattenläden, Bars und Imbissbuden, in
historischen Fachwerkhäusern oder in supermodernen Bauten wie dem Europaviertel,
geben der Stadt ein eigentümliches Gepräge. Unsere Reisegruppe war unweit des
Brüsseler Südbahnhofs untergebracht, nahe dem alten Stadtkern mit Rathaus und
Manneken Pis.


Wie die EU funktioniert
Zentrale Station unserer Reise war das Europaviertel. Dort liegen die aus den Medien
bekannten Gebäudekomplexe der drei EU-Institutionen Parlament, Kommission und
Rat. Auf ca. 70% aller deutschen Gesetze hat die EU Einfluss, erfuhren wir in der EU-
Kommission. Diese ist die Hüterin der EU-Verträge und vertritt den Staatenbund nach
außen. Bei der Kommission arbeiten 30.000 Menschen für 34 Generaldirektionen. Zum
Vergleich: Die Stadt München beschäftigt 35.000 Beamte und Angestellte.
Die EU-Gesetzgebung kennt verschiedene Grade der Zuständigkeit, z.B. exklusiv bei
Handel und Wettbewerb, geteilt bei Landwirtschaft und Umwelt, unterstützend im
Tourismus. Unterschieden werden dabei
• die in allen Ländern unmittelbar geltenden Verordnungen,
• die Ziele vorgebenden Richtlinien, die von den Mitgliedsländern ausgestaltet werden,
• die Beschlüsse, welche die EU mit einzelnen Partnern, wie z.B. Google, abschließt.
Gesetzesinitiativen kommen von der Kommission, das Parlament hat kein Initiativrecht.
Nach 1. und 2. Lesung im Rat, die Staatenkammer der EU, und im Parlament können
Vorschläge am Ende Gesetzeskraft erlangen. Interessant zu wissen: Große
Maßnahmenpakete können vor Verhandlungsbeginn im Internet ein Jahr lang
eingesehen werden.
EU-Mittel gibt es aus 2 Töpfen: dem kleineren Kulturfonds und der größeren
Regionalförderung. Für das Paket „Next Generation EU“, das die EU resilient und
nachhaltig machen soll, stellt Brüssel insgesamt 806,9 Mrd. Euro in 7 Jahren bereit, der
Klima-Sozialfonds wird mit 72,2 Mrd. Euro finanziert.
Das EU-Parlament mit seinen 705 direkt gewählten Mitgliedern tagt lediglich 3-4mal
pro Jahr in Brüssel, die meisten Plenumssitzungen finden in Straßburg statt. Brüssel
dagegen ist die Stadt für die Ausschussarbeit.


Eine europäische Grüne: Henrike Hahn
Unsere Gastgeberin, Henrike Hahn, lud uns in ein bei den Grünen EU-Abgeordneten
beliebtes vegetarisches Speiselokal. Henrike kommt aus der Unternehmensberatung
und war wissenschaftliche Mitarbeiterin im Bayerischen Landtag und im Bundestag. Als
MdEP ist sie im Industrieausschuss Vollmitglied, im Wirtschaftsausschuss
stellvertretendes Mitglied und Teilmitglied im Haushaltsausschuss. Schwerpunkte dort
sind Klima, Umwelt und Forschung & Entwicklung.
Wie verlaufen die Verhandlungen im Trilog, dem Dreiertreffen der gesetzgebenden EU-
Institutionen? Wichtig zu wissen: sie werden nicht protokolliert! Das ermöglicht, so
Henrike, eine offenere Diskussion unter den Vertreter*innen der drei Gremien. Wir
lernten, dass es Berichterstatter*innen gibt, die für die Verhandlungen zwischen den EU-
Fraktionen verantwortlich sind, Henrikes bevorzugte Rolle,. Daneben gibt es die
Schattenberichterstatter*innen, sie vertreten die Perspektive der Grünen im EU-
Parlament.


Auch ein Lobbyist
Am gleichen Tag hatten wir einen Termin bei der Vertretung des Freistaates Bayern in
der EU. Das ist gleichsam die bayerische Lobbyvertretung, sie hat sich im Vorgarten des
Parlaments angesiedelt. Deren Räume können auf Anfrage von bayerischen Verbänden
und kommunalen Vertretungen gebucht werden. An diesem Ort schlug einem dann
doch die bekannte EU-Skepsis entgegen.
Im Haus der Europäischen Geschichte ließ sich viel Kluges zu den historischen Wurzeln
Europas und zur jüngeren Geschichte erfahren. Ausgestattet mit Tablets und
Kopfhörern konnte man sich individuell auf den 6 Etagen des Museums orientieren und
in einer der 24 Amtssprachen der EU belehren lassen.


Zum Abschied ein süßer Trost
Kurzfristig hatte die Bahn die gebuchte Verbindung zurück in die Heimat annulliert und
wir mussten die Abreise um 2 Stunden verschieben. Führerin Katharina ergriff die
Gelegenheit und brachte uns kurzentschlossen noch zu „Concept Chocolate“, eine
Chocolaterie und Geheimtipp für Freunde süßer Gaumenfreuden. Der Besitzer, optisch
ein typischer Belgier (Asterix-Fans kennen ihn gut), jedoch mit deutschen Wurzeln,
erzählte, dass das Ausgangsmaterial für die Pralinenherstellung, die Schokolade, von
nur noch 3 europäischen Fachfirmen angeboten wird, allerdings gleich in 600
verschiedenen Geschmacksrichtungen. Der Pralinenmeister fertigt daraus nach
geheimer Rezeptur und mithilfe eines Models und den Zutaten Schokolade, Kakaobutter
und Zucker seine Pralinen.
Ein wenig vermochte die süße Wegzehrung die Reisenden auf der überlangen
Heimreise trösten.

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